Wie aus der einst gefährlichsten Stadt der Welt eine der sichersten Städte in Südamerika wurde…
Nach dem Rafting-Abenteuer stand zwischen uns und Medellin nur noch eine 11-stündige Busfahrt. Morgens um halb 7 sind wir in der Metropole mit 2,7 Mio Einwohnern angekommen & waren erstmal überwältigt von dem Lichtermeer. Da die Stadt in einem Tal liegt & sich auch an den umliegenden Hügeln ausbreitet, schimmert alles im orangem Licht der Straßenlampen. Zur Zeit findet in Medellin das alljährliche „Feria de las Flores“(Blumenfest) statt…nicht deswegen besuchen wir die „Stadt des ewigen Frühlings“, aber genau das hat uns die Hostelsuche erheblich erschwert 😀 Gefunden haben wir trotzdem was, und das liegt gar nicht mal so schlecht…in 10 min. sind wir an der nächsten Metrostation (übrigens die einzige Hochbahn Kolumbien!) von wo aus man für ca. 70 cent durch ganz Medellin fahren kann.
Da wir uns für den ersten Tag nichts vorgenommen haben & ziemlich k.O. von der Busfahrt sind, tingeln wir nur ein bisschen durch die Stadt. Im Hostel lernen wir noch 2 Deutsche kennen (Nele & Finn) die grade ihr Auslandssemester in Medellin starten. Für den Abend verabreden wir uns dann mit Finn zum Fussball gucken(JA, wir gehen TATSÄCHLICH FUSSBALL(!!!!!) gucken :-D), Medellin spielt gegen Medellin im Derby. Auch wenn Fussball ja eigentlich nicht wirklich unsere Sache ist: Die Stimmung im Stadion war einmalig und wir haben total mitreißen lassen.
Nach dem Stadionbesuch gibts noch einen Snack und relativ früh gehts ins Bett, da wir für den nächsten Tag einen Ausflug zum El Penol geplant haben.
El Peñón de Guatapé
Ungefähr 90km außerhalb von Medellin (in der Nähe der Kleinstadt Guatapé) liegt ein 70 Mio. Jahre alter Felsen, der eine unvergessliche Aussicht bieten soll & mit dem Bus lässt sich der kleine Ort in gut 2 Stunden erreichen.
Mit 220 Metern Höhe sticht er schon von Weitem heraus & schon von Weitem leuchten die weißen Buchstaben G und I am Felsen. Eigentlich sollte dort ursprünglich GUATAPÉ stehen: Die Dörfer Guatapé und El Peñol stritten sich um den Besitz des Felsens. Heimlich wollten die Einwohner von Guatapé ihren Namen auf den Felsen pinseln, doch natürlich wurden sie vom Nachbardorf erwischt und so blieb es nur beim G und einem halben U. Der umliegende See wurde Ende der 1960er-Jahre für ein Wasserkraftwerk angelegt & zählt zu den größten (künstlich angelegten) Seen Südamerikas.
Um jedoch die spektakuläre Aussicht auf den See und seine kleinen Inseln genießen zu können, müssen wir 740 Stufen hochsteigen. Der Ausblick belohnt uns aber definitv und oben angekommen lassen wir uns bestimmt eine Stunde den Wind um die Nase wehen und genießen das tolle Panorama.
Oben auf der Spitze des Bergs lernen wir Jacob, einen Reisenden aus Israel mit deutschen Wurzeln kennen & verbringen den Rest des Tages mit ihm. Er reist seit ca. 8 Monaten durch Südamerika und da er eine ähnliche Route hinter sich hat, wie die, die wir noch vor uns haben, gibt es viel zu erzählen und er hat viele Tipps für uns wo wir was erleben können.
Zusammen machen wir uns auf den Weg zum ca. 3 (kolumbianische)km entfernten Städtchen Guatapé um dort zu Mittag zu essen und später den Bus zurück nach Medellin zu nehmen.
Stadtbesichtung bzw. Free Walking Tour
Für den nächsten Tag haben wir uns für eine kostenlose Stadtführung angemeldet…naja, nicht wirklich kostenlos, aber am Ende bezahlt jeder nur das was er hat oder für angemessen hält. Unserer Meinung nach ein gutes System, da der Guide sich mehr Mühe gibt als wenn er eh einen festen Betrag bekommen würde. Unser Tip: Real City Tours
Mittags treffen wir uns mit unserem Guide Pablo & 20 anderen Teilnehmern an der Metrostation und laufen für ungefähr 4 Stunden gemeinsam durch die Stadt.
Da Medellin immer noch sehr verrufen ist, hat es lange gedauert bis der Tourismus auch hier Einzug gehalten hat. Im Laufe unserer Tour wird unsere Gruppe mehrmals von Einheimischen angesprochen, die uns in ihrer Stadt & in ihrem Land willkommen heißen und sagen das sie froh über die Touristen sind die sich ihre schöne Heimat anschauen. Das macht uns ein bisschen stutzig, aber im Laufe der Tour wird uns auch erst richtig bewusst was diese Stadt und ihre stolzen Bewohner (übrigens PAISA genannt) schon durchgemacht haben…
Dabei hat die Geschichte der Stadt eigentlich mit harmlosem Kaffeeanbau in den umliegenden Bergen begonnen…, aber Kaffee ist nicht das woran man denkt wenn man an Medellins Vergangenheit denkt.
Ein Name der während der Tour zwar nicht fällt, jedem aber im Gedächtnis ist : Pablo Escobar, DER Drogenbaron.
Escobar zählte zu den reichsten Menschen der Welt, und das nur durch Drogenhandel. Wir hören, dass er sein Geld zu Spitzenzeiten nur noch gewogen und nicht gezählt hätte, denn wen interessieren ein paar Tausend Dollar (um die man sich vielleicht „verwiegt“) wenn man TÄGLICH um mehr als 1,5 Millionen Dollar reicher wird!?
Escobar war skrupellos (muss man in dem Business wohl auch sein) sowohl geschäftlich: Er setzte auf jeden getöteten Polizisten ein Kopfgeld von 1000 Dollar aus; als auch Privat: Er hatte eine Frau, die er mit vielen jungen Frauen betrog. Hatte eine dieser Frauen das Pech von ihm schwanger zu werden, wurde sie von Escobars Auftragsmördern getötet.
Vor 20 Jahren durften Ausländer die Stadt nicht betreten & auch für die Einheimischen war der Drogenkrieg allgegenwärtig, sodass unser Guide Pablo sich erinnert, wie er als kleiner Junge viele Plätze der Stadt meiden musste. Erinnern zählt allerdings nicht zu den Stärken der Paisas. Pablo erzählt uns, dass die Menschen hier ihre Vergangenheit erfolgreich verdrängen, um so positiv eingestellt zu sein wie wir sie kennengerlernt haben. Eine schreckliche Vorstellung, aber bemerkenswert wenn man die Menschen hier sieht. Die Stadt hat sich wirklich gewandelt und im Laufe unserer Tour sehen wir Plätze, an denen vor Jahren Menschen niedergeschossen oder Bomben platziert wurden & die Paisa haben diese Plätze inzwischen in attraktive Plätze für Einheimische und Touristen verwandelt. Sie wollen ihre Vergangenheit hinter sich lassen und nach vorne schauen. Sie versuchen, die negativen Erinnerungen an diesen Plätzen mit neuem Leben und schönen Erinnerungen zu füllen. Die Paisa können wirklich stolz auf ihre Stadt sein, denn in den vergangenen 20 Jahren hat sich viel getan: es wurden zum Beispiel mehrere Seilbahnlinien gebaut, um die Menschen die in den Favelas (Armenvierteln) wohnen mit dem Metrosystem zu verbinden. So haben auch diese Menschen, die in Armut leben oder geboren wurden, eine gute und vorallem günstige Möglichkeit eine Arbeit irgendwo in der Stadt zu finden und diese schnell zu erreichen. Außerdem wurden oberhalb der Favelas Bibliotheken errichtet, um den ärmeren Menschen auch hier den Weg zur Bildung zu erleichtern.
Im Zentrum gibt es ein paar interessante Plätze und was uns am besten Gefallen hat: viele Parks! Die Stadt hat wirklich viele grüne Flecken und das macht sie zu einer sehr angenehmen Großstadt. Witzig fanden wir außerdem das „Palacio de la Cultura“: 1925 von einem belgischen Architekten erbaut bzw. begonnen, fanden die Paisa das Gebäude unpassend und kritisierten seine Arbeit. Der Architekt zog beleidigt von dannen, die Paisa dachten sie könnten den Bau anhand der Pläne selbst fertig stellen, und das kam dabei raus: ein wunderschönes Gebäude mit Schachbrettmuster in gothischem Stil, was abrupt mit einer weißen Mauer und 0-8-15-Fenstern endet…
Nach unserer Tour wird es Zeit für eine Reunion: in Taganga haben wir Kristin und Matthias kennengelernt & wie der Zufall es will, sind die beiden auch grade in Medellin angekommen. Sie sind schon längere Zeit unterwegs & haben ihre Reise mit der transsibierischen Eisenbahn gestartet…ziemlich beeindruckend wie wir finden.
Durch die lange Stadtführung sind wir aber ziemlich k.O. und werden an dem Abend nicht alt, verabreden uns aber für den nächsten Abend zu einem kostenlosen Konzert, was anlässlich des „Feria de las Flores“ stattfindet.
Hier noch der Link zu dem Video, anlässlich des „Feria de las Flores“. Das Video zeigt außerdem recht viel von Medellin, deswegen finden wir es sehenswert. 😉
In ein paar Tagen ist noch ein große Parade zum Abschluss des Fests, die schenken wir uns aber da die Hostelpreise total in die Höhe schießen.
Wir hoffen euch allen geht’s gut!
Bis bald,
Eure Tramps